Angefangen hat es Anfang August. In der unwahrscheinlich tollen Hanseplatte läuft ein Song im Hintergrund. Von Turbostaat, wie sich herausstellt. Diese Band war uns bis dahin völlig unbekannt.
Manchmal gehen großartige Dinge fast an einem vorüber. Zum Glück nur fast. So stand ich kürzlich bei Hanseplatte im Laden rum, ganz beseelt von der Atmosphäre, es war ein Straßenfest auf der Schanze und Flohmarkt, als dieser Song lief und ich sofort verliebt war und fragte, welche Band das sei und man ziemlich verwundert war, dass ich die noch nicht kannte, wahrhaftig. Ich kaufte die Platte und hab‘ es nie bereut. Meine momentane Lieblingsband. Soviel Poesie und Gefühl, gemischt mit geilem Geschrammel und der Sänger singt jede Silbe mit 100prozentiger Energie! Dementsprechend groß war meine Freude, als ich von dem Charity-Konzert der Band in Flensburg am 13.11.2015 hörte. Der Turbostaat in seiner natürlichen Umgebung an meinem Geburtstag und dabei noch was Gutes für die Flüchtlingshilfe tun? Nix wie hin da!
Für ein Punkkonzert nach Flensburg? Klar, warum nicht! Ins Volxbad? Ja, ääh, wie bitte? Erst mal danach googeln. Der Veranstaltungsort war tatsächlich mal ein Volksbad, jedenfalls so lange, bis die meisten Wohnungen selber Badezimmer hatten. Seit 1981 wird es als soziokulturelles Zentrum genutzt. Ein perfekter Ort also für den Auftritt einer Punkband!
Die Location hat eher die Größe eines kleinen Clubs. Als wir eintreten, ist die Vorband LIRR am Start und brennt ein unglaubliches musikalisches Feuerwerk ab. Wir haben die Jungs am Ende gefragt, wie sich ihre Musikrichtung nennt, das wussten sie aber selber nicht so genau. Es müsste jedenfalls was mit einem ziemlich langen Namen sein, nicht nur Post Punk oder so. Das glauben wir sofort! Leider gab es am Merch-Stand keinen Tonträger dieser Band, das wäre ein Must-Have gewesen! Immerhin gab’s ein geiles T-Shirt.
LIRR ist der Windriese des Nordens aus der unendlichen Geschichte, und genauso fantastisch wie der Name ist auch die Musik. Mit welchem Begriff man sie am Ende auch labeln mag, klingen tun sie so: man steht auf einem Feld am Ende eines herrlichen Sommertages und alles ist in Gold getaucht. In der Ferne sieht man seine kleine Stadt, die man liebt und in der man aufgewachsen ist. Dennoch weiß man, dass da noch was anderes ist. Man ist wieder sechzehn und hat diese Sehnsucht nach da draußen und diese unbändige Freude auf das Leben und auf das, was da noch kommen mag und wenn einem was in die Quere kommt: Liebeskummer, der Weltschmerz oder Mathe, dann kann man seine Gefühle noch einfach rausschreien und die Welt damit konfrontieren … großartige Melodien, wunderbar dargeboten, aber leider viel zu kurz. Beim nächsten Mal würde ich sehr gern mehr von LIRR hören und unbedingt einen Tonträger käuflich erwerben. So konnte man die Jungs nur mit dem Kauf ihres künstlerisch wertvollen T-Shirts unterstützen, das von der begnadeten Künstlerin Siri Jarring gestaltet wurde.
Als Turbostaat schließlich auf die Bühne kommen, gibt es im Publikum kein Halten mehr. Eins ist sofort klar: die Flensburger verstehen was vom Feiern. Textsicher wird alles mitgesungen. Auch die Passagen, die auf der Platte nicht vom Sänger performt werden, gibt das Publikum als Chor wieder. Manchmal wird sogar eine Choreographie daraus. Alles erscheint aus einem Guss. Turbostaat versteht sein Publikum und das Publikum versteht den Turbostaat. Und am Ende gucken wir alle gemeinsam in die Wolken, obwohl da ja eigentlich gar nichts zu sehen ist…
Die Hauptband Turbostaat in Flensburg zu sehen und zu hören, war schon ein Erlebnis! Lyrische Texte, tolle Musik, ein textsicheres Publikum und jede Menge Nebel garantierten eine sagenhafte Stimmung und machten Lust auf mehr! Dabei auch noch für einen guten Zweck, denn alle Einnahmen des Abends wurden für wohltätige Zwecke gespendet.
Nebenbei hat es die Stadt Flensburg auf Anhieb in die Liste unserer Lieblingsstädte geschafft. Punk sei Dank!
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Ali & Jan
P.S.
Als wir am Ende des Abends von den Anschlägen in Paris erfahren, sind wir doppelt dankbar für einen großartigen Konzertabend, den wir in Frieden erleben durften. Das Motto lautet weitermachen! Habt Mut!